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Landgericht Heidelberg verurteilt Internetanbieter wegen unerlaubter Telefonwerbung

Werbeabwehr mit anwaltlicher Hilfe

Die Klägerin, eine ältere alleinstehende Dame, erhielt im November 2006 spät abends einen Werbeanruf für Produkte des beklagten Internetanbieters. Die Klägerin bat um Informationsmaterial und erhielt ein Schreiben, in dem behauptet wurde, die Klägerin habe bereits ein Produkt der Beklagten bestellt.
Die Klägerin trug vor, keine Einwilligung für den Anruf erteilt zu haben. Selbst wenn diese Behauptung der Beklagten zuträfe, wäre die Einwilligung im Rahmen eines Internet- Gewinnspiels mangels Transparenz unwirksam, jedenfalls aber wegen Zeitablaufs verfallen. Das Landgericht stellte nun in übereinstimmung mit der ständigen BGH Rechtsprechung fest, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung hat. Unverlangte Telefonanrufe im Privatbereich zu geschäftlichen Zwecken stellen nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar.
Verbraucher sind daher nicht auf Verbraucherzentralen oder sonstige Verbände angewiesen, um sich vor unverlangter Werbung zu schützen. Sie können ihre Ansprüche auch selbst durchsetzen. So können sie sich eine Vertragsstrafe versprechen lassen, so dass sie im Wiederholungsfall nicht nur selbst den ärger haben, sondern auch selbst eine Entschädigung bekommen.
Der Internetanbieter hat nach den Feststellungen des Gerichts in einer die Wiederholungsgefahr begründenden Weise rechtswidrig verhalten. Er hat einen Verbraucher zu Werbezwecken angerufen bzw. anrufen lassen, ohne dass dessen Einwilligung hierfür vorlag. Ob er selbst durch einen Angestellten gehandelt hat oder ein Mitarbeiter eines beauftragten Unternehmens tätig geworden ist, bleibt ohne Bedeutung. Die Beklagte muss sich in jedem Fall entsprechend § 8 Abs. 2 UWG das Verhalten solcher Subunternehmer als Beauftragte zurechnen lassen. Sie ist selbst auch Störer durch Veranlassung der Telefonwerbung.
Das Gericht ist weiter davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Einverständnis mit einem entsprechenden Telefonanruf nicht erteilt hat. Auch einen Beweis für die Abgabe der Einwilligungserklärung hat die Beklagte nicht angeboten. Für das Vorliegen eines Einverständnisses mit Telefonanrufen ist der Werbende aber darlegungs- und beweisbelastet. Darüber hinaus dürfte eine Einwilligung der Klägerin, die diese ggf. unbewusst bei der Teilnahme am Gewinnspiel abgegeben haben könnte, nach Meinung der Kammer keine Rechtswirkung zukommen. Zum einen dürfte dem von der Beklagten als Zustimmung gewerteten Ausspruch schon nicht die Bedeutung einer Willenserklärung zuzumessen sein, weil der Verbraucher bei dem Ausfüllen einer Bildschirmmaske bei einem konkreten Gewinnspiel nicht das Bewusstsein hat, irgendeine Erklärung zu anderen Sachverhalten abzugeben. Dies gilt umso mehr, wenn sich ein solcher Satz im „Kleingedruckten“ befinden würde. Zum anderen wäre auch zweifelhaft, dass ohne konkreten ausdrücklichen Hinweis sich überhaupt objektiv bereits erkennen ließe, dass derjenige, der das Gewinnspiel anbietet, bezweckt, Adressenhandel zu betreiben und ein generelles Einverständnis mit Werbeanrufen erreichen will. Dem Verbraucher wird die mögliche Tragweite eines solchen Einverständnisses in der Regel kaum deutlich vor Augen geführt.
Da bereits ein Fall rechtswidriger Handlung genügt, um die Wiederholungsgefahr zu begründen, bei deren Vorliegen ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch gerechtfertigt ist, kann dieser nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder Erlass eines vollstreckbaren Titels entgegengewirkt werden.
Gelegentlich kommt es vor, dass sich ein angerufener Verbraucher überrumpeln lässt, und einen Vertrag schließt, eine Bestellung aufgibt oder eine Kaffeefahrt bucht. Auch kommt es durchaus vor, dass der Anrufer im Nachhinein einen solchen Vertragsschluss dreist behautet. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der Anrufer diesen Vertragsschluss beweisen muss, was insb. bei einem mündlichen Vertrag nicht immer einfach ist. Doch selbst, wenn dies gelingt, ist der Verbraucher nicht wehrlos.
Unter anderem bei den hier vorliegenden so genannten Fernabsatzgeschäften steht dem Verbraucher das Recht zu, seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Erklärung zu widerrufen. Die Frist zum Widerruf beträgt zwei Wochen. Sie beginnt erst mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine ausreichende Belehrung über das Widerrufsrecht mitgeteilt worden ist. Die Widerrufsbelehrung muss, den Anforderungen genügen, die das Gesetz an verschiedenen Stellen formuliert. Meist fehlt es jedoch an jeglicher Belehrung. Doch selbst wenn eine Belehrung erfolgte, ist diese oft nicht ausreichend.
Der Bundesgerichtshof hat nun (Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 122/06) entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung, die den Verbraucher lediglich über dessen Pflichten im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, nicht den Anforderungen des Gesetzes genügt.
Daher sollte es in vielen Fällen – zumindest mit anwaltlicher Hilfe – kein Problem sein, auch wenn die Widerrufsfrist verstrichen ist, aus diesen Verträgen wieder herauszukommen. Eine Rechtsschutzversicherung kann die nicht unerheblichen Prozessrisiken, die durch die Notwendigkeit von Gutachten ggf. verschärft werden, abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf nicht beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist.
© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011