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Reitrecht in Baden-Württemberg

Der Landtag hat am 30. November 2005 änderungen im LWaldG und NatSchG beschlossen, diese treten zum 1. Januar 2006 in Kraft.
Die bisherige Beschränkung auf ausgewiesene Wege und die Kennzeichnungspflicht der Pferde in Verdichtungsräumen ist ebenso entfallen wie die sogenannte Reitschadensausgleichabgabe. Das Reiten und Fahren im freien Feld mit bespannten Fahrzeugen ist nun, unbeschadet straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, auf hierfür geeigneten privaten und beschränkt öffentlichen Wegen oder auf besonders ausgewiesenen Flächen gestattet; gekennzeichnete Wanderwege unter drei Metern Breite, Fußwege sowie Sport- und Lehrpfade sind hiervon ausgenommen. Beschränkungen können von Gemeinden und von Grundstückseigentümern aus wichtigem Grund vorgenommen werden, insbesondere soweit diese Wege und Flächen in besonderem Maße der Erholung der Bevölkerung dienen oder erhebliche Schäden oder Beeinträchtigungen anderer Benutzer zu erwarten sind.
In Naturschutzgebieten ist das Reiten und Fahren mit bespannten Fahrzeugen nur auf Straßen und befestigten Wegen sowie auf besonders ausgewiesenen Flächen gestattet, soweit Rechtsverordnungen keine abweichende Regelung enthalten. In Biosphärengebieten ist das Reiten in Kernzonen nicht zulässig, in Pflegezonen ist es nur auf besonders ausgewiesenen Wegen und Flächen gestattet.
Das Reiten im Wald ist nur auf Straßen und hierfür geeigneten Wegen gestattet. Auf Fußgänger ist natürlich Rücksicht zu nehmen. Nicht gestattet sind das Reiten auf gekennzeichneten Wanderwegen unter 3 m Breite und auf Fußwegen, sowie auf Sport- und Lehrpfaden; die Forstbehörde kann hier allerdings Ausnahmen zulassen.
Im Wald bedarf das Fahren einer besondern Genehmigung. Fahren mit bespannten Fahrzeugen ist als Fahren von Anhängern erfasst.
Es ist allerdings als Ordnungswidrigkeit eingestuft, auf Flächen und Wegen, die nicht dafür bestimmt sind, zu reiten oder mit bespannten Fahrzeugen zu fahren. Hier drohen Geldbußen bis 15.000,00 Euro. Im äußersten Fall kann sogar das Pferd – ebenso wie alle anderen Gegenstände, die zur Begehung der Ordnungswidrigkeit verwendet worden sind – eingezogen werden.
Damit schließt Baden-Württemberg zu den reiterfreundlichen Bundesländern auf. In den Ländern Nordrhein-Westfalen (hier ist jedoch bestimmt, dass Kreise und kreisfreie Städte Ausnahmen für bestimmte Waldgebiete festlegen können), Berlin, Sachsen, Mecklenburg- Vorpommern und Thüringen ist das Reiten dagegen nur eingeschränkt möglich. In den übrigen Ländern ist das Thema Ausreiten – wie nun auch in Baden-Württemberg – großzügig geregelt. Ausnahmen für bestimmte Wege und einzelne Gebiete können jedoch auch hier im Einzelfall bestehen, wenn sie für die Natur oder ein verträgliches Miteinander von Reitern, Wanderern, usw. erforderlich sind.
Im sonst so strengen Bayern beispielsweise muss das Reiten lediglich natur-, eigentümer- und gemeinverträglich ausgeübt werden. Entscheidend ist die Eignung des Weges. Die Eignung eines Wegs für das Reiten hängt vom Einzelfall ab und richtet sich nach der Beschaffenheit, wie sie für den Weg durchschnittlich oder wenigstens überwiegend besteht. Ein mit Kies oder Schotter befestigter Waldweg wird in der Regel immer die Eignung zum Reiten aufweisen. Bei einem unbefestigten Erdweg ist dies fraglich. Grundsätzlich nicht geeignet zum Reiten sind Pfade, Steige oder ähnliche schmale Fußwege.
Das Land Brandenburg hat erst kürzlich eine änderung von strengen Beschränkungen zu liberalen Regeln - wie nun in Baden-Württemberg - vollzogen. Es darf auf allen zweispurigen Wegen auf eigene Gefahr geritten oder mit bespannten Fahrzeugen gefahren werden und zwar in der Feldflur und im Wald. Aufwendige Verfahren sind nicht mehr notwendig. Tabu sind weiterhin lediglich schmale Wege, Waldeinteilungsschneisen und Lehrpfade. Als Wanderwege gekennzeichnete Wirtschaftswege können beritten werden. Auf Sport- und Lehrpfaden sowie auf Wegen, die nicht mit zwei- oder mehrspurigen Fahrzeugen befahren werden können, und auf Rückewegen und Waldeinteilungsschneisen darf nicht geritten oder mit bespannten Fahrzeugen gefahren werden.
Im Nachbarland Hessen gelten ebenfalls großzügige Regelungen. Auf privaten Wegen und Straßen ist Reiten auf eigene Gefahr zu Erholungszwecken grundsätzlich erlaubt. Einzige Bedingung ist, dass es sich um einen gekennzeichneten oder „festen“ Weg handelt. Hierzu gehören trockene Erdwege mit einer Mindestbreite von 2 m. Nicht zulässig ist das Reiten querfeldein, auf forstwirtschaftlichen Wegen, Wildäckern, Wildäsungsflächen oder Waldlehrpfaden.
Das Reiten und Fahren in sächsischen Wäldern und Landschaften ist zwar nur auf den dafür ausgewiesenen und gekennzeichneten Wegen gestattet. Mittlerweile gibt es aber ca. 5000 km Reitwege in Sachsen.
Auch in Sachsen-Anhalt ist Reiten und Fahren auf allen Privatwegen und deren Rändern in Feldflur und im Wald erlaubt, soweit die Wege ihrer Breite und Oberflächenbeschaffenheit nach geeignet sind und keine Störung anderer oder nachhaltige Schäden zu befürchten sind. Außerhalb von Privatwegen und deren Rändern ist das Reiten und Fahren nur mit Einwilligung des Nutzungsberechtigten erlaubt. Auf besonders ausgewiesenen Reitwegen haben die Interessen der Reiter sogar Vorrang von denen von Fußgängern oder Radfahrern.
In all diesen Ländern sind keine erhöhten Unfallraten unter Joggern zu verzeichnen. Denn, das Reiter im Wald reiten dürfen, heißt noch lange nicht, dass alle Stecken für wilde Jagden genutzt werden dürfen. Selbstverständlich treffen die Reiter – wie übrigens auch Radfahrer, deren Geschwindigkeit oft schon in der Stadt gefährlich ist – besondere Sorgfaltspflichten und Rücksichtnahmegebote.
Endlich ist es auch für Baden-Württembergs Reiter klar, wo sie reiten dürfen, ohne vorher bei den diversen Ämtern in verstaubte Pläne Einblick nehmen zu müssen, um zu erkennen, wo denn die mysteriösen Verdichtungsräume, Naturschutzgebiete, Waldschutzgebiete und Erholungswälder liegen.
Die Gesetzesänderung ist daher nur zu begrüßen.
© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011