AG Düsseldorf, 20 C 6875/14, Urteil vom 27.10.2014 - Spam-Abwehr, Abwehr von unerwünschter E-mail-Werbung
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Frank Richter, Kastanienweg 75 A, 69221 Dossenheim,
gegen
die Vodafone GmbH, vertr.d.d. Gf. Jens Schulte-Bockum, Dirk Barnard, Dr. Manuel Cubero dei Castillo-Olivares u.a., Ferdinand-Braun-Platz 1, 40549 Düsseldorf,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte bock legal, Reuterweg 51-53, 60323 Frankfurt,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 27.10.2014 durch die Richterin Naeven für Recht erkannt:
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zum 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, wobei die
Ordnungshaft für die Beklagte an den Geschäftsführern der Beklagten zu
vollziehen ist, untersagt, zu Werbezwecken mit dem Kläger per E-Mail
Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Zustimmung vorliegt,
insbesondere wenn dies wie geschehen mit E-Mails vom 28.03.2014 und
05.04.2014 geschieht.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche
Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch
soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der
Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen
diese Daten übermittelt wurden bzw. werden.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf den klägerseits
verauslagten Gerichtskostenvorschuss Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 21.05.2014 bis zum Eingang eines
Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
Der Klageantrag zu 1) ist hinreichend bestimmt und wahrt die Voraussetzungen des
§ 253 Abs. 2 ZPO. Wie das OLG Celle in einem ähnlichen Fall ausgeführt hat (Urt. v.
15.05.2014, 13 U 15/14), ist der Antrag insbesondere nicht deswegen zu
unbestimmt, weil er nah am Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG angelehnt ist. Die
Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist nicht grundsätzlich unzulässig. Sie
würde nur dann zur Unbestimmtheit des Antrags führen, wenn zwischen den
Parteien Streit über die Auslegung und Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs
herrschen würde oder bei fehlender objektiver Kriterien zur Abgrenzung von
zulässigem und unzulässigem Verhalten. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.
Insbesondere nach Umstellung des Antrags mit Schriftsatz vom 16.09.2014 wird
durch die Bezugnahme auf konkrete Verletzungshandlungen die Bestimmtheit
hergestellt. Dass im Vollstreckungsfall das Vollstreckungsgericht prüfen müsste, ob
eine bestimmte E-Mail-Adresse dem Kläger zuzuordnen ist, ist unbedenklich und
steht der Bestimmtheit des Antrags nicht entgegen (vgl. OLG Celle, Urt. v.
15.05.2014, 13 U 15/14). Anderenfalls wäre der Kläger gezwungen, bei jeder
Neueinrichtung einer E-Mailadresse einen neuenUnterlassungsantrag geltend zu
machen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass vorliegend die Belästigung von der
Beklagten ausgeht, nicht zumutbar.
II.
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823
BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie
wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Durch Versand der
E-Mails vom 28.03.2014 und 05.04.2014 hat die Beklagte in den jeweils geschützten
Bereich des Klägers eingegriffen.
a)
Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit werblichem Inhalt an
ein Unternehmen - zu dem auch eine Rechtsanwaltskanzlei gehört - stellt einen
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (vgl. OLG Celle,
Urt. v. 15.05.2014, 13 U 15/14). Geschützt werden insoweit auch Angehörige freier
Berufe, die kein eigentliches Gewerbe betreiben, soweit der unmittelbare Eingriff ihre
Berufstätigkeit betrifft (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 823 Rdziff. 127. m. w. N.). Die hier
im Streit stehende Beeinträchtigung ist für den Kläger auch von solcher Intensität,
dass sie als Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
bewertet wird. Eine unaufgeforderte E-Mail-Werbung stellt nach ständiger
Rechtsprechung eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des
Empfängers dar. Der Empfänger muss Arbeitszeit aufwenden, um unerwünschte
Werbe-E-Mails auszusortieren. Die Vorgehensweise des Werbenden beeinträchtigt
die negative Informationsfreiheit des Empfängers. Auch ist zu berücksichtigen, dass
ein Werbender mit sehr geringen eigenen Kosten Werbe-E-Mails an eine Vielzahl
von Personen gleichzeitig versenden kann. Erachtet man das Versenden von
Werbe-E-Mails für zulässig, würde dies zu einer unübersehbaren Flut von
Werbe-E-Mails führen. Denn das Versenden von Werbe-E-Mails ist für den
Werbenden ungleich billiger als das Versenden von Werbung per Post, so dass dem
Werbemedium E-Mail als solchem die Gefahr der Ausuferung inne wohnt (AG
Hannover, Urt. v. 03.04.2013 - 550 C 13442/12).
Jedenfalls nach Versand der E-Mail des Klägers vom 12.02.2014 von seiner
beruflichen E-Mailadresse mit der dieser ausdrücklich darauf hinwies keine
Werbemails und Feedbackanfragen zu wünschen, bestand für den Versand der
Feedbackanfrage auf die berufliche Mailadresse kein Einverständnis. Dennoch hat
die Beklagte diese E-Mail unverlangt versandt.
Dabei ist das Gericht zum Einen der Überzeugung, dass auch die hier versandte
Feedbackanfrage eine Werbemail darstellt. Diese belästigt den Kläger in der gleichen
Form, wie jede andere Werbemail. Umfragen zu Meinungsforschungszwecken
lassen sich ohne Weiteres als Instrumente der Absatzförderung ernsetzen. Wegen
der Tarnung des Absatzinteresses greifen sie sogar noch gravierender in die Rechte
des Betroffenen ein (LG Hamburg, NJW RR 2007, Seite 45). Ein absatzfördernder
Zweck ist bereits auch dann anzunehmen, wenn Verbrauchergewohnheiten
abgefragt werden, die im Zusammenhang mit den Produkten oder Dienstleistungen
des Auftraggebers stehen (AG Hannover, Urt. v. 03.04.2013 - 550 C 13442/12).
Zum anderen hält das Gericht dafür, dass die Ankündigung der möglicherweise
erfolgenden Feedbackanfrage in der E-Mail vom 03.04.2014, mit der dem Kläger
zugesagt wird, dass seine E-Mailadresse aus dem Verteiler herausgenommen
worden sei, die Rechtswidrigkeit des tatsächlich erfolgten. Versands der
Feedbackanfrage nicht beseitigen kann. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen,
im konkreten Fall auch die anschließende Feedbackanfrage zu unterbinden. Es wäre
widersprüchlich, wenn die Ankündigung einer etwaig erfolgenden weiteren Mail,
deren Versand zulässig machen würde, obwohl der Adressat keine Einwilligung
erklärt hat.
Auch ein widersprüchliches Verhalten des Klägers ist nicht zu bejahen. Wenn die
Beklagte per E-Maii Kontakt mit dem Kläger aufnimmt und dieser auf demselben
Weg um Abstellung des E-Mailversands bittet, und gegen die daraufhin dennoch
versandte Feedbackanfrage vorgeht, ist hierin kein Widerspruch zu sehen.
b)
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Zusendung
einer unverlangten Werbe-E-Mail das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Adressaten in relevanter Weise beeinträchtigt, wenn E-Mails an die private
Mailadresse des Adressaten versandt werden. Dies ist vorliegend mit dem Versand
des Newsletters vom 28.03.2014 geschehen. Die bereits im Zusammenhang mit
dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erläuterten
Belästigungen gelten ebenso für private Mailadressen und damit für den Eingriff in
das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Dabei musste das Gericht vorliegend nicht entscheiden, ob die ausdrückliche
Erklärung des Klägers per Mail vom 12.02.2014· von seiner beruflichen
E-Mailadresse, mit der dieser ausdrücklich darauf hinwies, keine Werbemails und
Feedbackanfragen zu wünschen, sich für die Beklagte erkennbar auch auf dessen
private E-Mailadress~ erstreckte. Denn die Beklagte hat bereits nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen, dass der Kläger überhaupt jemals zuvor seine
ausdrückliche Einwilligung in den Versand von Werbemails erklärt hätte. Da die
Beklagte hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt, darf sie sich nicht auf die
bloße Äußerung von Vermutungen beschränken, dass die Mailadresse nur dadurch
in den Verteiler gelangt sein könne, dass der Kläger einen entsprechenden Wunsch·
geäußert bzw. sich in eine Liste eingetragen habe.
c)
Da nach den obigen Ausführungen sowohl ein Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb durch Versand der Feedbackanfrage vom 05.04.2014,
als auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Versand des
Newsletters vom 28.03.2014 erfolgt ist, liegt die für einen Unterlassungsanspruch
erforderliche Wiederholungsgefahr vor. Es besteht grundsätzlich eine tatsächliche
Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, wenn bereits ein
rechtswidriger Eingriff, hier in Form der Übersendung einer E-Mail, in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, das Eigentum bzw. den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs des Klägers vorgenommen wurde. An den Wegfall dieser
Vermutung werden strenge Anforderungen gestellt. So kann jedenfalls im
Wettbewerbsrecht der Störer die tatsächliche Vermutung nur durch die Abgabe einer
strafbewährten Unterlassungsklärung widerlegen. Der Grundsatz, dass die
Wiederholungsgefahr nur dann entfällt, wenn der Störer dem Beeinträchtigten eine
strafbewährte Unterlassungserklärung abgibt, gilt auch für den deliktischen
Unterlassungsanspruch jedoch nicht in gleicher Strenge (vgl. LG Leipzig, Urteil vom
12.03.2004, Az.: 16 S 4165/03). Im Deliktsrecht kann die Schwere des Eingriffs, den
Umständen der Verletzungshandlung, dem fallbezogenen Grund der
Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Störers für
die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durchaus ein erhebliches
Gewicht zukommen.
Die Anwendung dieser Grundsätze führt jedoch vorliegend nicht dazu, dass die
Vermutung der Wiederholungsgefahr entkräftet ist. Die Beklagtenseite hat keine
hinreichende Unterlassungserklärung abgegeben. An den Fortfall der
Wiederholungsgefahr werden strenge Anforderungen gestellt. Ein bloßes
Unterlassen oder Ändern der beanstandeten Handlung beseitigt die
Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht. Zwar hat die Beklagtenseite mitgeteilt,
dass der Kläger aus dem Verteiler gelöscht wurde. Es ist jedoch nicht
ausgeschlossen, dass die Aufnahme des Klägers in den Verteiler erneut erfolgt.
III.
Der Kläger hat darüber hinaus gemäß § 34 BDSG gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Auskunft darüber, welche Daten zu seiner Person bei ihrem
Unternehmen gespeichert sind. Dies umfasst auch soweit sie sich auf Herkunft und
Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird
und an welche Personen und Stellen diese Daten übermittelt wurden
beziehungsweise werden.
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BDSG kann der Betroffene Auskunft verlangen über die
zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft der
Daten beziehen, über den Empfänger oder Kategorien der Empfänger, an die Daten
weitergegeben wurden und über den Zweck der Daten. Denn der Kläger ist
Betroffener i. S. d. § 3 Abs. 1 BDSG, da bei der Beklagten personenbezogene Daten
über ihn gespeichert sind, wie sich aufgrund der Kontaktaufnahme zwingend ergibt.
Die Beklagte hat dem Kläger bislang nicht ausreichend Auskunft gegeben, denn die
Beklagte hat weder über die Herkunft noch über etwaige Empfänger der Daten
Auskunft gegeben (vgl. AG Berlin-Mitte, Urt. v. 21.01.2009 - 25 G 280/08).
Da es sich bei § 34 Abs. 1 S. 2 BDSG um eine Soll-Vorschrift handelt, steht die
fehlende Angabe des Klägers, welche Daten möglicherweise gespeichert sein
könnten, dem Anspruch nicht entgegen. Es ist überdies nicht Aufgabe des
Gläubigers eines Auskunftsanspruchs, zu antizipieren, welchen Inhalt die begehrte
Auskunft haben kann, um überhaupt Auskunft zu verlangen. Derart hohe
Anforderungen würden zu einem Zirkelschluss führen.
IV.
Hinsichtlich der Verzinsungspflicht des Gerichtskostenvorschusses konnte der Kläger
nur mit dem Hilfsantrag auf Feststellung durchdringen. Der auf Zahlung gerichtete
Hauptantrag war jedenfalls wegen mangelnder Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 ZPO,
abzuweisen.
Der auf Feststellung der Verzinsungspflicht gerichtete Hilfsantrag hat jedoch Erfolg.
Der Kläger kann gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB Ersatz für die auf die
Gerichtskosten entfallenden Zinsen ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht
verlangen. Die Beklagte ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges verpflichtet, dem
Kläger die auf die Gerichtskosten entfallenden Zinsen zu ersetzen (vgl. LG
Düsseldorf, Urt. v. 11.01.2006, 12 0 165/05; AG. Bad Segeberg, Urteil vom 8.11.2012 - 17 a C 256/10).
Der rechtswidrige Versand der streitgegenständlichen
E-Mails ist ursächlich dafür geworden, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss
aufbringen musste und entsprechende Zinsnachteile hatte. Diese wären bei
rechtmäßigem Verhalten der Beklagten nicht entstanden.
Es besteht ein Rechtschutzbedürfnis des Klägers für seinen Feststellungsantrag, weil
für ihn keine Möglichkeit besteht, auf einem einfacheren Weg zu einem Titel überden
dem Feststellungsantrag zugrunde liegenden Anspruch zu kommen. Im Rahmen des
Kostenfestsetzungsverfahrens können im Hinblick auf § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO Zinsen
lediglich ab dem Eingang des Festsetzungsantrages festgesetzt werden. Die
Gerichtskosten sind Teil des Schadens, der infolge des Verzuges mit der der Klage
zugrunde liegenden Hauptforderung entstanden und als solcher mit seinem Eintritt
während des Verzuges gemäß § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen ist.
Die Beklagte befand sich auch im Zeitpunkt der Klageerhebung in Verzug, denn sie
hat sich geweigert, die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung
abzugeben.
V.
[...]