Briefkastenwerbung entgegen Sperrvermerk ist verboten
Amtsgericht Heidelberg, Urteil vom 19.05.2010, 29 C 315/09
Der Kläger macht gegen den Beklagten wegen eines bei ihm im Briefkasten vorgefundenen Werbeschreibens einen Unterlassungsanspruch geltend.Hinsichtlich des Unterlassungsanspruch ist die Klage nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs.1 BGB bzw. §§ 903, 1004, 862 BGB begründet. Es liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie eine Eigentums- und Besitzstörung vor. Zwar ist die Werbung mit Handzetteln durch Einwurf in Briefkästen grundsätzlich zulässig und zumutbar. Allerdings kann dies nicht gelten, wenn der Empfänger einer solchen Werbung ausdrücklich widerspricht. Wird trotz einer solchen Willensäußerung ein Einwurf vorgenommen, dann bedeutet dies eine Missachtung des Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und damit die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Gleiches gilt für die Eigentums- und Besitzverletzung (BGH VI ZR, 182/88, Urteil vom 20.12.1988).
Es steht für das Gericht nach Ansicht des Flyers fest, dass es sich um einen solchen des Beklagten handelt. Nach den glaubwürdigen Ausführungen des Zeugen … der am 05.05.2009 bei der Kanzlei des Klägers Reparaturarbeiten durchführte, befand sich an jenem Tag an dem Briefkasten der Kanzlei ein Aufkleber, der ein Werbungsverbot zum Inhalt hatte. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass sich ein solcher Aufkleber auch noch am Tag des 07.05.2010 am Briefkasten des Klägers befunden haben muss. Dafür, dass sich am besagten Tage kein solcher Aufkleber befunden hat, ist die Beklagtenseite beweispflichtig. Allerdings bietet sie hierfür keinen Beweis an. Des Weiteren ist der Beklagte zumindest als mittelbarer Störer anzusehen. Nach Aussage der Zeugin … werden die Werbeflyer von ihr bzw. ihrem Mann ausgetragen, so dass der Beklagte unmittelbarer, zumindest jedoch mittelbarer Störer ist, da er seine Ehefrau beauftragt hat, die Flyer auszutragen. Zwar beteuert die Zeugin … dass keine Flyer in Briefkästen eingeworfen werden, auf denen sich Hinweise auf ein Werbungsverbot befinden, allerdings kann sie selbst auch nicht ausschließen, dass dies aus Versehen doch einmal geschehen könnte. Der Beklagte hat somit im Ergebnis die störende Einwirkung in jedem Falle adäquat ursächlich veranlasst. Auch die nach § 1004 Abs. 1 S.2 BGB geforderte Wiederholungsgefahr muss bejaht werden. Sie ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen. Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung für den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 86, 2503). Dadurch, dass der Kläger trotz eines deutlichen Hinweises auf unerwünschte Werbung an seinem Briefkasten durch den Einwurf des Handzettels durch den Beklagten einer Belästigung ausgesetzt war, ist also eine Wiederholung der rechtswidrigen Beeinträchtigung auch in der Zukunft zu befürchten. Eine Widerholungsgefahr könnte allein durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeschlossen werden (BGHZ 136, 380, 390), welche hier jedoch gerade nicht abgegeben wurde. Auf ein Verschulden kommt es im Rahmen des § 1004 BGB nicht an.
Auch greift der Einwand des Beklagten, die Klage des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, nicht durch. Dem Kläger steht das Recht zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlichengegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von jeglicher unerwünschter Werbung zur Wehr zu setzen. Dieses Recht besteht nicht nur dann, wenn Werbematerial in einer solchen Menge eingeworfen wird, dass die eigentliche Funktion des Briefkastens - die Aufnahme von Postsendungen – in Frage gestellt ist. Vielmehr kann sich der Betroffene auch gegen den vereinzelten Einwurf von Werbematerial in seinen Briefkasten wehren, schon um der Ausweitung einer derartigen Inanspruchnahme, die er anders nicht steuern kann, zu begegnen (BGHZ 106, 229, 233).Demzufolge sind auch massenhafte Versendungen von Abmahnungen nicht zu beanstanden, wenn die Abwehr massenhafter Rechtsverletzungen dies erfordert (BGH I ZR, 219/05, „Clone CD“, Urteil vom 17.07.2008). Inwieweit die Grenze zum Rechtsmissbrauch in diesem Fall überschritten sein soll, geht aus dem Beklagtenvortrag nicht hervor. Dieser ist somit als unsubstantiiert zurückzuweisen.
Der Kläger kann auch grundsätzlich seine Rechtsverfolgungskosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zurückverlangen.