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Keine mutmaßliche Einwilligung in E-mail-Werbung aufgrund Standesrecht

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Amtsgericht Leipzig, 107 C 2154/14, Urteil vom 18.07.2014

1. Der Beklagtenseite wird es bei Meidung eines jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagtenseite an dem Geschäftsführer des Beklagten zu vollziehen ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % es zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte übersandte an den Kläger am 18.10.2013 um 14.01 Uhr an die Adresse xxx eine Einladung zum Hessischen Medizinrechtstag. Die Beklagte war Veranstalter der Veranstaltung. Inhalt der Veranstaltung war das Patientenrechtsgesetz. Hinzu kamen weitere medizinrechtlich relevante Fragestellungen, wie z.B. die Patientenverfügung, weitere Vorsorgemöglichkeiten, Fragen aus dem Vertragsarztrecht sowie das Thema Europarecht und deren Einflüsse auf das Deutsche Medizinrecht. Der Kläger teilte der Beklagten mit E-Mail vom 20.10.2013 mit, dass jegliche Werbung per Mail, Telefax, Brief oder Anruf zu unterlassen sei, der Nutzung der Daten gem. § 28 Abs. 4 BDSG widersprochen und eine Auskunft sowie eine strafbewährte Unterlassungsklärung bis zum 07.11.2013 erwartet werde. Bezüglich der Auskunft wurde aufgefordert, darüber Auskunft zu geben, welche Daten bei der Beklagten gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden. Die Beklagte erklärte mit E-Mail am 22.10.2013, dass der Kläger aus dem Verteiler für künftige Veranstaltungen entfernt worden ist. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Beklagtenseite im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit u.a. seit vielen Jahren in den verschiedenen Bundesländern Kongressveranstaltungen organisiert und hierüber Anwälte und Anwältinnen unter Übermittlung des Tagungsprogrammes informiert werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass Name und Anschrift dabei aus den veröffentlichten Angaben im Internet entnommen werden.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Unterlassungsanspruch und ein Auskunftsanspruch zustehe.
Der Kläger beantragt
1. Der Beklagtenseite wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte an den Vorständen der Beklagten zu vollziehen ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.
2. Die Beklagtenseite wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Unterlassungsanspruchs des Klägers nicht bestehe, da es sich bei der Einladung zu einem Kongress nicht um eine Werbe-E-Mail gehandelt habe. Da der Kläger als Rechtsanwalt verpflichtet sei, sich regelmäßig fortzubilden, müsse er die Zusendung von entsprechenden Fortbildungsmöglichkeiten dulden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.
Sie hat bezüglich des Unterlassungsanspruches Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2,823 Abs. 1 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Werbung mittels E-Mail, Telefax oder Werbeanrufe eine unzulässige Belästigung im Sinne von §§ 823, 1004 BGB dar, da sie die Aufmerksamkeit des Betroffenen über Gebühr hinaus in Anspruch nimmt und zu einer unzumutbaren Belästigung des privaten oder beruflichen Bereichs führt, wobei auch die einmalige Zusendung einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. in das Persönlichkeitsrecht darstellt.
Die Zusendung von E-Mail mit werbendem Inhalt an einen Rechtsanwalt, der aus berufsrechtlichen Gründen seine E-Mail sorgfältig lesen muss, ist als Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs unzulässig. Die zugesandte E-Mail der Beklagten hinsichtlich der Teilnahmemöglichkeit am Hessischen Medizinrechtstages ist als Werbung zu qualifizieren. Als Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, zu verstehen. Die E-Mail der Beklagten enthält ein Angebot zur Teilnahme an einer Fachtagung. Dabei bietet die Beklagte innerhalb der Ausübung ihres Gewerbes eine Erbringung von Dienstleistungen an. Die Beklagte beabsichtigte mit der Zusendung der Einladung den Kläger zur Teilnahme an der Tagung zu gewinnen und daher den Absatz zu fördern. Eine Einwilligung des Klägers lag nicht vor. Es gab zwischen den Parteien weder einen vorherigen Kontakt noch eine anderweitige ausdrückliche Einwilligung. Der Kläger hat auch explizit auf seiner Internetseite der Kontaktierung per Werbe-E-Mail widersprochen. Eine mutmaßliche Einwilligung ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten angesprochenen Berufspflicht der Fortbildung gern. § 43a Abs. 6 BRAGO. Es ist jedem Rechtsanwalt unbenommen, wie und auf welcher Weise sich ein Rechtsanwalt fortbildet. Ein mittelbarer Drittschutz für Anbieter von Fortbildungsveranstaltungen kann daraus nicht abgeleitet werden.
Auch ist die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt worden. Der Unterlassungsanspruch und die hierfür erforderliche Wiederholungsgefahr, also die ernstliche, sich auf Tatsachen begründende Besorgnis, dass in Zukunft weiterer Verstoß droht, werden nach der ständigen Rechtsprechung bereits durch den zweifelsfrei festgestellten Rechtsverstoß begründet. Es besteht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, wenn bereits ein rechtswidriger Eingriff, hier in Form der Übersendung einer E-Mail, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Eigentum bzw. den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs des Klägers vorgenommen wurde. An den Wegfall dieser Vermutung werden strenge Anforderungen gestellt. Im Wettbewerbsrecht wurden in ständiger Rechtsprechung diese Anforderungen konkretisiert. So kann der Störer die tatsächliche Vermutung nur durch die Abgabe einer unbedingten, unwiderruflichen und strafbewährten Unterlassungsklärung widerlegen. Die Rechtsprechung, die diesen Grundsatz für den Bereich des Wettbewerbs rechts entwickelt hat, hat jedoch auch eingeräumt, dass auch ohne eine solche Erklärung die Verneinung der Wiederholungsgefahr in Ausnahmefällen denkbar ist (vgl. BGH NJW 1994, S. 1281). Der Grundsatz, dass die Wiederholungsgefahr nur dann entfällt, wenn der Störer dem Beeinträchtigten eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgibt, gilt auch für den deliktischen Unterlassungsanspruch, jedoch nicht in gleicher Strenge (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 12.03.2004, Az.: 16 S 4165/03). Im Deliktsrecht kann die Schwere des Eingriffs, den Umständen der Verletzungshandlung, dem fall bezogenen Grund der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Störers für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durchaus ein erhebliches Gewicht zukommen.
Die Anwendung dieser Grundsätze führt jedoch vorliegend nicht dazu, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr entkräftet ist. Die Beklagtenseite hat keine Unterlassungserklärung abgegeben. An den Fortfall der Wiederholungsgefahr werden strenge Anforderungen gestellt. Ein bloßes Unterlassen oder Ändern der beanstandeten Handlung beseitigt die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht. Zwar hat die Beklagtenseite mitgeteilt, dass der Kläger aus dem Verteiler gelöscht wurde. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Aufnahme des Klägers in den Verteiler erneut erfolgt. Da die Internetadresse des Klägers für die Beklagte jederzeit erneut abrufbar ist, ist die Wiederholungsgefahr aus Sicht des Gerichtes nicht ausgeräumt.
[...]
Die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft folgt aus § 890 Abs. 1 ZPO. Die Androhung kann bereits mit dem Urteil verbunden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Pfuhl
Richterin am Amtsgericht
als weitere aufsichtsführende Richterin

Volltext hier: Amtsgericht Leipzig, 107 C 2154/14, Urteil vom 18.07.2014

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