Belästigung im Internet
Je nach Konstellation gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich zu wehren. Diese können situativ kombiniert werden.
Strafrechtliche Mittel können zunächst zur Täterermittlung und Beweissicherung genutzt werden. Im Falle einer Verurteilung – also falls das Verfahren nicht eingestellt wird – schreckt die Strafe zudem noch ab. Diese Abschreckung lässt sich auch meist durch eine polizeiliche Gefährderansprache erzielen. Zudem ist es eine recht kostengünstige Variante und manchmal kann im Rahmen eines sog. „Täter-Opfer-Ausgleichs“ oder als Nebenkläger auch die geschädigte Person eine Art Entschädigung oder Genugtuung erhalten.
Weiter kann ggf. nach dem Gewaltschutzgesetz ein Sicherheitsraum erzwungen werden.
Nicht vergessen sollte man aber auch zivilrechtliche Möglichkeiten. Diese sind mit Abmahnungen (Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsaufforderung mit kurzen Fristen von maximal einer Woche), Eilverfahren im gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz, der Möglichkeit Schadensersatz und Schmerzensgeld einzuklagen auch nicht zu verachten. Diverse gesetzliche Regelungen bieten hier Unterstützung: DSGVO, Kunsturhebergesetz KUG mit seinem Recht am eigenen Bild, und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) und die Pläne der Regierung zu ihrem Gesetz gegen Digitale Gewalt, mit dem Auskunftsrechte gestärkt und kostengünstig ausgestaltet und Beweissicherungsverfahren (Quick Freeze im Eilverfahren) eingeführt werden sollen. Allerdings sind diese Schritte meist mit einem Kostenrisiko verbunden, dass Rechtsschutzversicherungen nur teilweise abfedern. Neben den Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe sei hier deswegen auf das Angebot der hatefree gGmbH verwiesen.
Insbesondere im schulischen Umfeld bietet sich gelegentlich auch eine Mediation zwischen der Geschädigten und den Schädigern an.
Zur Beweissicherung kann hier auch – neben dem Ergebnis strafrechtlicher Ermittlungen – auf Programme wie atomshot, fireshot oder Hilfsstellen wie die Meldestelle REspect, HateAid oder die bereits erwähnte hatefree zurückgegriffen werden.
Ansprüche bei Verletzungen des APR:
- Anspruch auf Unterlassung
- Anspruch auf Auskunft
- Anspruch auf Gegendarstellung
- Anspruch auf Berichtigung
- Anspruch auf Schadensersatz
- Anspruch auf Geldentschädigung
- Anspruch auf Kostenerstattung
Anerkannt ist, dass für Fälle schwerer Persönlichkeitsverletzungen eine Genugtuung in Geld gefordert werden kann, wenn nur so eine dem Eingriff angemessene Wiedergutmachung des ideellen Schadens zu erreichen ist (BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973, 1 BvR 112/65 – Prinzessin von Soraya: Der BGH hatte den Axel Springer Verlag zur Zahlung einer Geldentschädigung von 15.000,00 DM = 7.500,00 EUR verurteilt wegen erfundener Äußerungen der Prinzessin über ihr Privatleben). Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof sehen den Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts als ein Recht an, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Demgemäß wird der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.
Beispiele für Geldentschädigung: Veröffentlichung von Nacktfotos, Verunglimpfung einer Jugendlichen durch sexuelle Anspielung auf ihren Namen
(Äußerung: „Mein Name ist Lisa Loch und ich bin sechzehn Jahre alt“ in Fernsehinterview anlässlich Teilnahme an Schönheitswettbewerb: ausgeschlachtet
auf TV Total, u.a. durch Einblendung eines fiktiven Wahlplakats der LLP (Lisa Loch Partei), die ein kopulierendes Paar zeigt: 70.000,00 EUR),
unbegründeter Vorwurf der Beteiligung an einem Mordkomplott, Bezeichnung als Kinderschänder trotz Freispruch.
Beispiele für keine Geldentschädigung: bloße Übertreibungen eines in der Sache zutreffenden Vorwurfs , schlichte Veröffentlichung eines Bildnisses.
Hinsichtlich der Höhe der Geldentschädigung ist auszugehen von der persönlichen Genugtuungsfunktion, d.h. keine Gewinnabschöpfung; aber von der Höhe der Geldentschädigung muss ein echter Hemmungseffekt ausgehen, daher kann die Erzielung des Gewinns ein Bemessungsfaktor der Höhe sein, regelmäßig nicht unter 2.500,00 EUR (Ausnahmefall: Weiterleitung von Intimbilder durch Jugendliche), bei ganz erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind auch sechsstellige Beträge möglich, insbesondere bei Verletzung der Intimsphäre und bei Prominenten.
In einem kuriosen Fall hatte ein Möchtegern-Influencer den Kriminalfall Höxter nacherzählt und dabei ein Ehepaar abgebildet, das mit den Vorgängen in Höxter nicht das Geringste zu tun hatte. Das Video wurde bis zur Löschung 524.000 mal aufgerufen. Das LG Mainz (Urteil vom 27.07.2022, 5 O 174/21) war noch recht milde gestimmt und sprach dem Ehepaar nur 4000,00 € zu. Das OLG Koblenz (4 U 1326/22) sah dies in der Berufung anders und riet zu einem Vergleich über 10.000,00 €. Der Senat stellte auf die Genugtuungs- und Präventionsfunktion ab. Da im Allgemeinen viele dieser Verfahren im Vergleichswege beendet werden, gibt es verglichen mit den Fallzahlen wenig Gerichtsentscheidungen.
Auch die Überwachung fremder Grundstücke ist nach einhelliger Rechtsprechung unzulässig (EuGH, Urteil vom 11.12.2014, C-212/13; BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09).
Für Videoüberwachungen am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft wurden bislang (vergl. LAG Hessen, Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09 [7000,00 Euro]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.05.2013, 2 Sa 540/12; LG Berlin, Urteil vom 15.07.2022, 63 O 213/20 [5000,00 €]) vierstellige Beträge zugesprochen.
Generell ist bei der Veröffentlichung von Fotos einiges zu beachten, selbst wenn alle Bilder selbst gemacht wurden, denn das Recht am eigenen Bild ist als eine spezielle Ausprägung des grundgesetzlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den §§ 22 und 23 des Kunsturheberrechtsgesetzes (KUG) besonders geschützt (Urteil des BGH vom 03.07.2007, AZ: VI ZR 164/06). So bestimmt § 22 KUG, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Ohne diese Einwilligung dürfen nur Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte, Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben eine Landschaft oder sonstigen Örtlichkeiten erscheinen sowie Bilder von Versammlungen und Veranstaltungen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben (also Bilder „in die Menge hinein“, solange durch diese Bilder nicht ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird) veröffentlicht werden.