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Die Nachfristsetzung im Tierkaufsrecht
Beim Kauf eines Tieres können nach Auffassung des BGH besondere Umstände, die die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches rechtfertigen, dann vorliegen, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lässt, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlasst werden könnte. Die Parteien des Verfahrens VIII ZR 1/05 stritten um Erstattung der Kosten für die tierärztliche Behandlung eines Hundes, den der Kläger gekauft hatte. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 7. September 2002 erwarb der Kläger von der Beklagten einen Terrier-Welpen zum Preis von 390 €. Kurze Zeit nach der übergabe erkrankte das Tier an blutigem Durchfall, der durch verschiedene Bakterien verursacht worden war. Der Kläger brachte den Welpen daher am 11. September 2002 zu einer nahen Tierarztpraxis. Für diesen Arztbesuch und für die weiteren tierärztlichen Behandlungen, die sich bis zum 7. Oktober 2002 hinzogen, entstanden dem Kläger Kosten von insgesamt 379,39 Euro.
Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs hat der Kläger vorgetragen, die festgestellte Erkrankung sei ausschließlich auf unzulängliche und unhygienische Haltung und Behandlung des Welpen vor der übergabe an ihn, den Kläger, zurückzuführen. Er habe mit dem etwa 30 km entfernt wohnenden Beklagten telefonisch Verbindung aufnehmen wollen; dabei habe er den Beklagten von der Erkrankung des Welpen in Kenntnis gesetzt und dieser habe ihm zum Abwarten geraten. Im Übrigen sei eine Fristsetzung zur Nachbesserung entbehrlich gewesen, weil Gefahr im Verzug bestanden habe.
Das Amtsgericht Herford hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landgericht Bielefeld bestätigte das Amtsgericht im Wesentlichen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der BGH urteilte daraufhin, dass der Kläger von dem Beklagten Ersatz seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung des Welpen verlangen könne; eine vorherige (erfolglose) Nachfristsetzung war unter den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise entbehrlich. Wie der BGH bereits mit Urteil vom 23. Februar 2005, VIII ZR 100/04, entschieden hat, setzt der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat, soweit nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift. Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, kann er auch nicht die Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für eine Mangelbeseitigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahlten Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern. Anderenfalls würde dem Käufer im Ergebnis ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugebilligt, auf das der Gesetzgeber bewusst verzichtet hat. Zudem würde der Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs unterlaufen, der den §§ 437 ff. BGB zugrunde liegt. Der Kläger könne hier aber unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung die Erstattung seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung verlangen. Denn die erforderliche Fristsetzung zur Nacherfüllung ist unter anderem dann entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Ein solcher Ausnahmefall war hier gegeben.
Nach den getroffenen Feststellungen ist der BGH mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der ersten tierärztlichen Behandlung am 11. September 2002 um eine Notfallmaßnahme handelte, die aus damaliger Sicht keinen Aufschub duldete und auch einen Transport des erkrankten Hundes zum Beklagten nicht zuließ. Wie die Sachverständige nach den Feststellungen des Amtsgerichts, in ihrem schriftlichen Gutachten und bei ihrer mündlichen Anhörung erläutert hat, war die sofortige tierärztliche Behandlung bei dem Welpen geboten und erforderlich, auch wenn sich bei der Erstuntersuchung herausstellte, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht vorlag.
Unter diesen Umständen war der Kläger nicht gehalten, und es war ihm auch nicht zumutbar, mit dem kleinen Tier im Auto eine Strecke von 30 km zurückzulegen, um den Welpen zu dem Beklagten zurückzubringen, damit dieser nunmehr die nötigen tierärztlichen Untersuchungen selbst einleiten konnte. Die in § 281 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Interessenabwägung ist etwa dann zugunsten des Käufers vorzunehmen, wenn bei einem mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlust ein wesentlich größerer Schaden droht als bei einer vom Gläubiger sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung. Dieser Gedanke ist auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen, in dem bei einem Zeitverlust die Gefahr eines größeren Schadens drohte und überdies Gesichtspunkte des Tierschutzes ein sofortiges Handeln erforderlich machten.
Durfte der Kläger danach die tierärztliche Behandlung des erkrankten Welpen veranlassen, ohne vorher den Verkäufer zur Durchführung einer solchen Maßnahme innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert zu haben, so gilt dies in gleicher Weise auch für die weiteren notwendigen tierärztlichen Behandlungstermine. Eine Aufforderung des Verkäufers zur weiteren Nachbesserung mit der Möglichkeit, den behandelnden Tierarzt zu wechseln, war unter Abwägung der beiderseitigen Interessen entbehrlich. Bei der medizinischen Behandlung eines akut erkrankten Tieres, die sich über einen Zeitraum von 4 Wochen hinzieht, erscheint dem BGH ein derartiger Wechsel für den Käufer unzumutbar und unzweckmäßig. Das gilt umso mehr, als sich die Kosten der Behandlung in Grenzen hielten und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in gleicher Höhe auch angefallen wären, wenn der Beklagte nach entsprechender Aufforderung des Klägers die medizinisch gebotene weitere Behandlung des Welpen veranlasst hätte. Bei einem Wechsel des Tierarztes wären möglicherweise sogar Mehrkosten entstanden, weil dieser nicht an eine eigene Erstuntersuchung hätte anknüpfen können.
Aus dieser Entscheidung ist daher abzuleiten, dass in eng umgrenzen Ausnahmefällen auf eine Nachfristsetzung ganz verzichtet werden kann. Interessanter dürfte die Entscheidung aber sein, für die Frage, wie lang eine Frist bemessen sein muss, um noch angemessen zu sein. So könnte ein Käufer beispielsweise dem Verkäufer eine Frist von wenigen Stunden oder Tagen setzen um eine dringende Maßnahme durchzuführen. Die Abgrenzung wann eine Frist (noch) angemessen ist, wird aber von Einzelfall zu Einzellfall variieren. Hier sollte man fachkundigen Rat – nicht nur anwaltlichen, sondern auf vorab telefonisch insbesondere tierarztlichen – einholen.
Denn der BGH hat in der zweitgenannten Entscheidung klargestellt, dass grundsätzlich auf das Nacherfüllungsverlangen nicht verzichtet werden kann:
Der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz setzt - wenn nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift - voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 100/04). Dieser Grundsatz gilt auch beim Kauf eines Tieres und damit ebenfalls bei einem Tausch von Tieren (§ 480 BGB).