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Blue GmbH erleidet Schlappe vor Gericht - keine Forderung nach Werbeanruf

Die Blue GmbH ist eine SEO-Anbieterin, die ihre Kunden durch Werbeanrufe akquiriert. In der Folge verschickt sie Rechnungen, oder aber auch erst Mahnungen und sodann Mahnbescheide. Das Amtsgericht Rheine hatte nun über ein solches Zahlungsbegehren zu entscheiden (Urteil vom 23.06.2022, 10 C 48/22):

Die Blue GmbH ist ein Marketing-Unternehmen. Um die Unternehmensdaten von Kunden im Netz sichtbarer zu machen, bietet sie ihren Kunden als zertifizierte Google Partnerin einen optimierten Eintrag auf der Google Plattform „Google My Business“ und eine „Google Ads“ Einrichtung an. Der Beklagte betreibt eine Tierarztpraxis.

Die Blue GmbH behauptete, die Ehefrau des Beklagten habe ihr telefonisch einen Auftrag für einen optimierten Google Business Eintrag sowie die Google Ads Einrichtung für eine Laufzeit von drei Jahren zu einem Neukundenrabatt von 599,00 € netto, zahlbar auf drei Monatsraten, erteilt. Dieses Telefonat sei von einem ihrer Mitarbeiter geführt und aufgezeichnet worden. In diesem Telefonat sei die Ehefrau des Beklagten auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen worden.
Die inzwischen verstorbene Ehefrau des Beklagten habe angegeben, die Geschäftsführerin der Tierarztpraxis zu sein und die Praxis gemeinsam mit dem Beklagten zu betreiben. Die Parteien hätten auch schon früher in Geschäftsbeziehungen gestanden.
Im Anschluss an das Telefonat sei per E-Mail am 15.09.2020 ein Bestätigungsschreiben an die Tierarztpraxis geschickt worden. Dort sei noch einmal die Bestellung aufgeführt worden sowie die Laufzeit und der zu zahlende Betrag i.H.v. 694,84 € brutto. Der Ratenzahlungsplan sei mit übersandt worden. Die erste Rate sei zum 02.10.2020, die zweite zum 02.11.2020 und die dritte zum 02.12.2020 fällig gewesen.
Da keine Zahlungen eingegangen seien, seien der Beklagte und seine Ehefrau mit anwaltlichem Schreiben vom 25.03.2021 aufgefordert worden, alle drei Raten zuzüglich Mahnkosten und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 851,78 € zu zahlen.
Aufgrund des Auftrags durch die Ehefrau des Beklagten habe sie den Grund-Eintrag veranlasst und den PIN Code bei Google angefordert. Dieser PIN Code sei dem Beklagten auf dem Postwege übermittelt worden. Der Beklagte habe diesen jedoch nicht an sie weitergeleitet.
Sie habe sodann auftragsgemäß das Set-up erstellt und den Eintrag verwaltet.
Die Vorleistungspflicht ergebe sich aus ihren AGB. Diese seien wirksam in den Vertrag einbezogen worden, da ihr Mitarbeiter im Zuge im Telefonat darauf hingewiesen habe, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter www.agb-seo.de eingesehen werden können. Da der Beklagte Unternehmer bzw. Freiberufler sei, genüge, dass er die Fundstelle kenne und grundsätzlich die Möglichkeit habe, die AGB einzusehen. Darüberhinaus seien die AGB dem Beklagten aus den vorherigen Vertragsbeziehungen bekannt gewesen.
Diese Vorleistungsklausel sei auch wirksam, da hierfür ein sachlicher Grund bestehe, denn sie würde ihrer Dienstpflicht bereits unmittelbar nach dem Vertragsschluss nachkommen, indem sie vorab schon die entsprechenden Einträge und Optimierungen erstelle.
Soweit der Beklagte vorträgt, den Bestätigungscode von Google Deutschland nicht erhalten zu haben, helfe ihm dies nicht weiter. Denn er sei nach § 4b (1) verpflichtet, bei Nichterhalt des Bestätigungscode ihr innerhalb von 14 Tagen Mitteilung zu machen. Sie hätte dann einen neuen Code beantragt. Die Nicht-Mitteilung stelle eine höchst treuwidrige Verletzung der vertraglichen Mitwirkungspflicht dar. Aufgrund der Hinweise in dem Telefonat und dem farblich hervorgehobenen Aufdruck auf der Bestätigung sowie aus § 4 AGB habe der Beklagte gewusst bzw. wissen müssen, dass sie diesen PIN Code zur Aktivierung benötige. Dementsprechend könne er sich nicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages berufen. Sie bestreite zudem, dass der Beklagte den Bestätigungscode nicht erhalten habe.
Der Preis für ihre Leistung sei auch nicht sittenwidrig, sondern liege im unteren Bereich der Preise am Markt.

Der Beklagte trug hingegen vor, alleiniger Inhaber der Praxis zu sein. Seine verstorbene Ehefrau sei weder Mitinhaberin noch vertretungsberechtigt gewesen.
Er bestreite zudem eine Auftragserteilung durch seine Ehefrau. Die Bandaufnahme sei nicht verwertbar. Er bestreite, dass der Gesprächspartner am Telefon, ein sogenannter Herr Schneider, existiere und das Telefonat mit seiner Ehefrau geführt habe.
Zudem sei dem Gespräch nicht zu entnehmen, dass darin ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei. Vor allem liege keine hinreichend bestimmte Leistungsbeschreibung vor. Es sei unklar geblieben, was unter der Mitführung eines optimierten Google Business Eintrags und einer Google Ads Einrichtung zu verstehen sei und in welchem Umfang die Klägerin Suchoptimierungsmaßnahmen schulde. Es bleibe auch unklar, was genau ein optimierter Google Business Eintrag sei.
Außerdem sei auf dem Bandmitschnitt der Vorgang des mündlichen Vertragsschlusses nicht festgehalten worden. Der Anrufer habe nämlich nur ein zuvor stattgefundenes Gespräch wiederholt, welches von der Anrufenden lediglich mit „Ja“ bestätigt worden sei. Mit der Aufzeichnung eines solchen Gesprächs könne weder nachgewiesen werden, dass der Mitschnitt nicht nachträglich zusammengeschnitten worden sei und die Unterhaltung, wie in der Transkription wiedergegeben, abgelaufen sei, noch welchen Inhalt der angeblich geschlossene Vertrag gehabt habe. Vor allem sei unklar geblieben, was unter der Mitführung eines optimierten Google Business Eintrags zu verstehen sei. Welche konkreten Optimierungen, die Klägerin habe vornehmen wollen, werde ebenfalls nicht vorgetragen. Google My Business sei bereits ein kostenloses Unternehmensprofil zur besseren Auffindbarkeit in der Google Suchmaschine. Die reine Einrichtung des Google Ad Accounts dauere nur wenige Sekunden. Die Forderung der Klägerin scheitere daher auch an § 138 BGB.
Eine Rechnung oder Bestätigung per Mail habe er nie erhalten. Auch sei ihm kein Aktivierungscode von Google übermittelt worden. Auch Mahnschreiben habe er nicht erhalten.
Die Schreiben des Gerichtsvollziehers wegen früherer Geschäftsforderungen seien nicht an ihn adressiert gewesen. Welche konkrete Forderung damit habe vollstreckt werden sollen, habe sich aus dem Schreiben nicht ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Amtsgericht wies die Klage ab.
Der Blue GmbH steht kein Vergütungsanspruch gegen den Beklagten zu, da sie nicht nachzuweisen vermochte, mit dem Beklagten einen Dienst-/Werkvertrag geschlossen zu haben. Unstreitig hat die Blue GmbH keinen Auftrag vom Beklagten selber erhalten.
Soweit sie behauptet, telefonisch mit der verstorbenen Ehefrau des Beklagten einen Vertrag geschlossen zu haben, hat sie dies ebenfalls nicht zu beweisen vermocht. Die vorgelegte Computertranskription alleine ist kein ausreichender Beweis. Denn anhand dieses Schreibens kann weder nachgewiesen werden, dass tatsächlich ein Telefonat mit der verstorbenen Ehefrau des Beklagten geführt worden ist noch dass der Inhalt des Gesprächs identisch ist mit der vorgelegten Transkription, also der tatsächlichen Tonaufzeichnung entspricht.
Die Tonaufzeichnung hat die Blue GmbH hingegen nicht vorgelegt. Aber selbst wenn sie diese in das Verfahren eingeführt hätte, hätte sie damit ebenfalls nicht beweisen können, dass dieses Gespräch mit der verstorbenen Ehefrau des Beklagten geführt wurde, da das Gericht alleine anhand eines Telefonmitschnitts nicht feststellen kann, ob die Gesprächspartnerin die verstorbene Ehefrau des Beklagten war. Sie kann sich auch nicht auf das Bestätigungsschreiben berufen, da sie nachzuweisen vermocht hat, dass der Beklagte bzw. die verstorbene Ehefrau des Beklagten dieses erhalten hat.
Weitere Beweismittel hatte die Blue GmbH nicht angeboten.
Aber selbst wenn die Ehefrau des Beklagten dieses Telefonat geführt hat, ergibt sich daraus noch kein Vertragsschluss mit dem Beklagten. Denn die Blue GmbH hat nicht nachzuweisen vermocht, dass die Ehefrau des Beklagten Mitinhaberin der Tierarztpraxis gewesen ist und damit den Beklagten mitverpflichten konnte. Die bloße Bejahung der Frage in dem Telefongespräch, ob sie auch die Geschäftsführerin der Tierarztpraxis sei und diese gemeinsam mit dem Beklagten betreibe, beweist nicht, dass sie dies auch tatsächlich war. Die Blue GmbH hätte vielmehr einen ordnungsgemäßen Nachweis dafür erbringen müssen, dass beide Eheleute Praxisinhaber waren. Ein solcher Nachweis kann nicht durch eine bloße Behauptung des Gesprächspartners geführt werden.
Die Blue GmbH kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Vertretung der Ehefrau aufgrund einer vom Beklagten gesetzten Rechtsscheinhaftung berufen, weil die Ehefrau des Beklagten bereits zweimal in der Vergangenheit ihr einen solchen Auftrag erteilt habe. Denn wenn die Ehefrau des Beklagten Mitinhaberin der Tierarztpraxis war, bedurfte es überhaupt keiner Vollmacht, so dass es mithin auf eine Rechtsscheinvollmacht gar nicht ankommt. Laut Behauptung der Blue GmbH hatte der Anrufer nämlich ausdrücklich danach gefragt, ob die Ehefrau die Tierarztpraxis gemeinsam mit dem Beklagten betreiben würde, was sie bejaht habe. Die Blue GmbH kann daher nicht auf der einen Seite vortragen, die Ehefrau sei als Mitinhaberin der Praxis befugt gewesen sei, den Auftrag zu erteilen und auf der anderen Seite behaupten, aufgrund einer Rechtsscheinvollmacht den Vertrag habe schließen dürfen.
Unabhängig davon ist die Forderung der Blue GmbH aber auch noch nicht fällig. Denn die Blue GmbH hat nicht nachgewiesen, ihre Leistungen bereits erbracht zu haben. Die Blue GmbH ist aber bei einem Dienst-/Werkvertrag vorleistungspflichtig. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf die Vorleistungspflicht des Beklagten aufgrund ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, da diese nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Zwar behauptet die Blue GmbH, ihr Mitarbeiter habe in dem Telefongespräch auf die AGBs hingewiesen, in dem er folgendes erklärt habe: "wie gesagt, AGBs auch unter www.xxx-xxx.de zum Einsehen und die Hinweise zur Datenverarbeitung auch auf daxxxxxxxxx-xxx.de". Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich dabei aber nicht um eine wirksame Einbeziehung der AGBs in den Vertrag, da ein Kunde bei einem solchen Zusatz nicht in die Lage versetzt wird, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzusehen, da in einem Satz gleich zwei Internet Anschriften hintereinander genannt wurden. Es ist daher vernünftigerweise einem Geschäftspartner nicht zuzumuten, sich diese beiden Adressen zu merken. Alleine der Umstand, dass der Anrufer über Allgemeine Geschäftsbedingungen informiert worden ist, ist nicht ausreichend. Vielmehr muss er auch die Gelegenheit haben, diese einsehen zu können. Dies ist aber in dieser Form nicht möglich. Es ist auch nicht Aufgabe des Kunden, nochmals nachzufragen, wo genau diese AGBs eingesehen werden können. Dies ist vielmehr alleine Aufgabe des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese Angaben hätte die Blue GmbH außerdem in ihrem Bestätigungsschreiben aufführen müssen. Dort erfolgt aber keinerlei Hinweis mehr auf ihre AGBs. Wenn dieser Hinweis in dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben aber nicht mehr aufgeführt wird, ist vielmehr davon auszugehen, dass sie nicht Bestandteil dieses Vertrages geworden sind.

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© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2017