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Rückrufprovokation reicht - Unterlassungsanspruch gegen Werbeanruf

Landgericht Darmstadt, 23 O 360/12, Urteil vom 27.03.2013

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
Verfügungskläger
Prozessbevollmächtigter:
gegen
Verfügungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte:
hat die 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Schubert als Einzelrichter aufgrund Verhandlung VOm 27.03.2013 gemäß § 925 ZPO für Recht erkannt:

Die Einstweilige Verfügung des Landgerichts Darmstadt vom 29.11.2012 wird bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger wendet sich gegen telefonische Werbeanrufe der Verfügungsbeklagten. Der Verfügungskläger betreibt in ein Anwaltsbüro. Seine Kanzlei ist unter anderem mit einem Eintrag in den Gelben Seiten vertreten (Anlage Agg.2 - BI. 73 der Akte). Ferner präsentiert er sich auf einer eigenen Internetseite, auf welcher seit dem 16.02.2009 folgender durch Fettdruck hervorgehobener Hinweis zu lesen ist (Anlage K 7- BI.53 der Akte): "Gemäß § 28 Abs. IV BDSG widersprechen wir jeder kommerziellen Verwendung und Weitergabe unserer Daten. Wir wünschen keinerlei Werbezusendungen per E-Mail oder per Fax. Werbeanrufe sind ebenfalls unerwünscht." Die Verfügungsbeklagte vermarktet im Rahmen ihres Handelsgewerbes über ihren Firmensitz in Darmstadt Werbeflächen und Werbeplätze. Dazu unterhält sie ein eigenes Callcenter mit 20 Mitarbeitern, die potentielle Kunden anrufen, bei Interesse an den Leistungen der Verfügungsbeklagten und entsprechendem Einverständnis den Besuch eines Außendienstmitarbeiters arrangieren,der sodann mit dem angerufenen Kunden die Vertragsverhandlungen führt. Am 22.11.2012, bis dahin bestanden zwischen den Parteien keinerlei Geschäftskontakte,rief die Call-Center-Mitarbeiterin der Verfügungsbeklagten den Verfügungskläger an, um für Leistungen der Verfügungsbeklagten zu werben. Das Gespräch kam nicht zustande. Die Mitarbeiterin hinterließ auch keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Der Verfügungskläger rief die gespeicherte Nummer sodann zurück, da er - wie er behauptet - hinter der fraglichen Nummer einen potenziellen Mandanten wähnte. Bei diesem Rückruf erfuhr der Verfügungskläger, dass es sich um einen Werbeanruf gehandelt hatte mit dem Ziel, ihm Werbeflächen im anzubieten. Der Verfügungskläger ging - nach seiner Darstellung zum Schein, da er Beweise habe erlangen wollen - auf das Angebot ein und ließ sich dieses per E-Mail zusenden, welches dann am gleichen Tag um 13:56 Uhr bei ihm einging (Anlage K 2). Nachdem der Verfügungskläger nunmehr wusste, wer hinter dem Werbeanruf stand, nämlich die Verfügungsbeklagte, ließ er dieser ebenfalls am 22.11.2012 um 15:30 Uhr per Telefax eine Abmahnung zukommen, beanstandete den Werbeanruf und verlangte bis spätestens 06.12.2012 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die als Anlage K 3 vorgelegte Abmahnung nebst Unterlassungserklärung Bezug genommen (BI.45 ff. de Akte). Nach Absendung der Abmahnung rief die Call-Genter-Mitarbeiterin am 27.11.2012 um 12:37 Uhr und am 28.11.2012 um 12:31 Uhr nochmals den Verfügungskläger an, der sie bei dem letzten Telefonat auf die Abmahnung hinwies, von welcher sie vorgab, nichts darüber zu wissen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2012 (Anlage K 6 - Bl.51 ff. der Akte) ließ die Verfügungsbeklagte den Unterlassungsanspruch zurückweisen und berief sich darauf, sie habe von einer mutmaßlichen Einwilligung des Verfügungsklägers in den Werbeanruf ausgehen dürfen, weshalb dieser zulässig gewesen sei. Am 29.11.2012 vorab per Telefax eingehend bei Gericht hat der Verfügungskläger beantragt, der Verfügungsbeklagten wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung im Wege der Einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft zu vollziehen an ihren Geschäftsführern zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verfügungskläger zur Aufnahme eines erstmaligen Geschäftskontakts per Telefon Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen ausdrückliche Einwilligung vorliege (Bl. 1 ; 28 ff. der Akte).

Mit Beschluss vom 29.11.2012 (Bl. 54 ff. der Akte) hat das erkennende Gericht die Einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Am 18.01.2012 hat die Verfügungsbeklagte hiergegen Widerspruch eingelegt.
Der Verfügungskläger beantragt
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Verfügungsbeklagte bittet,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie meint nach wie vor, sie habe von einer mutmaßlichen Einwilligung des Verfügungsklägers in das erste Telefonat vom 22.11.2012 schon deshalb ausgehen können, weil er sich habe auf den Gelben Seiten eintragen lassen. Zudem verhalte sich der Verfügungskläger arglistig, wenn er bei dem Rückruf am 22.12.2012 der Call-Center-Mitarbeiterin Interesse vorspiegele, dann aber eine Abmahnung auswerfe. Auch die weiteren Anrufe vom 27. und 28.11.2012 könnten der Verfügungsbeklagten nicht entgegen gehalten werden, da Folgeanrufe dem Verfügungskläger telefonisch abgesprochen worden seien (Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung I….. L…. vom 22.01.2013, Anlage Agg.5 - BI.81 der Akte). Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die nachfolgenden Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der nach § 924 ZPO statthafte Widerspruch der Beklagten gegen die Einstweilige Verfügung vom 29.11.2012 hat keinen Erfolg. Die Einstweilige Verfügung ist gemäß §§ 936, 925 ZPO zu bestätigen. Es besteht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verfügungsanspruch nach §§ 823 I, 1004 BGB analog begründet und wegen Wiederholungsgefahr auch ein Verfügungsgrund im Sinne des § 937 ZPO gegeben ist.
Ein unmittelbarer Anspruch des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte nach §§ 8, 7 II Nr.2 Alt. 2 UWG besteht nicht, weil die Parteien am Markt keine Mitbewerber sind. Ein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt sich jedoch aus §§ 823 I, 1004 BGB analog, weil unerlaubte Telefonwerbung auch bei einem Unternehmer wie dem Verfügungskläger als Rechtsanwalt einen widerrechtlichen Eingriff in das eingerichtete und ausgeübte Unternehmen darstellt, es sei denn, ein solcher Anruf war zumindest durch eine mutmaßliche Einwilligung des Verfügungsklägers gedeckt. Die Grundsätze des § 7 II Nr.2 AIt.2 UWG sind dabei im Rahmen des § 823 I BGB entsprechend anzuwenden. Eine ausdrückliche Einwilligung des Verfügungsklägers in den Erstanruf am 22.11.2012 behauptet die Verfügungsbeklagte nicht. Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Verfügungsklägers bestand zwischen den Parteien bis dahin auch keinerlei geschäftlicher Kontakt.
Die Verfügungsbeklagte kann sich aber auch nicht auf eine mutmaßliche Einwilligung des Verfügungsklägers im Sinne des § 7 II Nr.1 AIt.2 UWG berufen. Hierbei sind die Umstände vor dem Anruf wie auch Art und Inhalt der Werbung zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 11.03.2010, I ZR 27/08, zitiert nach juris, dort Rn. 24 ff. [27, 29]), wobei eine mutmaßliche Einwilligung etwa dann anzunehmen sein kann, wenn die telefonische Werbemaßnahme einen sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung aufweist. Hierfür ist indes vorliegend schon deshalb kein Raum, weil der Verfügungskläger nach ebenso unwidersprochen gebliebenem Vortrag seinen Internetauftritt seit 16.02.2009 und damit vor dem fraglichen Erstanruf drucktechnisch deutlich hervorgehoben mit einem Werbewiderspruch nach § 28 IV BDSG versehen und dort ferner klar und unmissverständlich erklärt hat, dass auch Werbeanrufe unerwünscht sind. Bringt ein Unternehmer dies in einer für jedermann einsehbaren Präsentation in dieser Weise zum Ausdruck, ist für die Annahme einer "mutmaßlichen" Einwilligung in das gerade Gegenteil von Vornherein kein Raum: Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der - ohnedies unerheblichen - Tatsache, dass der Verfügungskläger seine Kanzlei in die Gelben Seiten hat aufnehmen lassen. Motivation hierfür mag durchaus sein, dass derjenige, der dies unternimmt, damit auch eigene Werbezwecke verfolgt. Dies dient allerdings erkennbar in erster Linie dem Zweck, eigene Leistungen - hier Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten - anzubieten. Keinesfalls lässt sich daraus im Umkehrschluss, erst Recht nicht bei ausdrücklich erklärtem gegenteiligen Willen, der Schluss ziehen, dass der so Auftretende auch mit Werbeanrufen mutmaßlich einverstanden ist. Die Verfügungsbeklagte, deren Call-Center-Mitarbeiter nach eigenem Vortrag anhand "bestimmter Kriterien" Telefonwerbung betreiben und potenzielle Kunden über die in den Gelben Seiten veröffentlichten Telefonnummern anrufen, handelt auf eigenes Risiko und daher in zurechenbarer Welse haftungsbegründend, wenn Sie gegenüber Ihren Mitarbeitern nicht darauf hinwirkt, dass diese vor einem Anruf bei vermeintlichen Neukunden nicht naheliegenderweise auch über einschlägige Suchmaschinen nachprüfen, ob der Anzurufende eine Internetseite unterhält und dort Werbemaßnahmen, insbesondere Werbeanrufen, widersprochen hat. Es spielt schließlich auch keine Rolle, dass die Call-Genter-Mitarbeiterin bei ihrem Anruf am 22.11.2012 den Verfügungskläger nicht direkt erreichte, sondern dieser wegen Speicherung dieses Anrufs in seiner Anrufliste zurückrief. Damit musste die Beklagte zumal im geschäftlichen Verkehr rechnen. Es ist allgemein üblich, dass die heutigen modernen Kommunikationsmedien nicht angenommene Gespräche in Anruflisten speichern und sie dem Nutzer des Mediums anzeigen und dieser dann bei nächster Gelegenheit zurückruft. Es macht im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm keinen Unterschied, ob die Störung darauf beruht, dass das Gespräch beim ersten Versuch zustande kommt oder über die Liste gespeicherter Anrufe ein Rückruf ausgelöst wird. Warum die Verfügungsbeklagte meint, der Verfügungskläger hätte schon anhand der Telefonnummer in seinem Anrufspeicher den Zweck des Anrufs erkenne müssen, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Anwälten, die in Dossenheim geschäftsansässig sind, nicht auch Mandate aus Darmstadt angedient werden können. Wenn daher der Verfügungskläger angibt, er habe hinter der fraglichen Nummer eher an ein potenzielles Mandat gedacht, ist dies ohne weiteres plausibel und deshalb auch glaubhaft. Ohne Belang ist aus den dargelegten Gründen weiter, ob das fragliche Angebot der Verfügungsbeklagten für den Verfügungskläger wirtschaftlich günstig war. Auch solche Werbeanrufe sind für denjenigen lästig und störend, der öffentlich erklärt, dass er sie nicht wünscht. Eine Arglist des Verfügungsklägers vermag die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen, erst recht nicht dadurch, dass er sich zwecks Namhaftmachung des hinter dem unerlaubten Anruf vom 22.11.2012 stehenden Störer und Verbesserung seiner Beweissituation scheinbar auf das Werbeanliegen eingelassen hat. Wer unerlaubt in die rechtlich geschützte Sphäre eines anderen eindringt und diesen mit unerwünschten Werbeanrufen belästigt, verdient insoweit keinen Schutz.
Die erforderliche Wiederholungsgefahr foIgt bereits daraus, dass die Verfügungsbeklagte die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt hat, ihr Verhalten sei rechtmäßig gewesen. Auf die weiteren Anrufe vom 27. und 28.11.2012 kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an. Dringlich ist das Begehren des Verfügungsklägers deshalb, weil er bei dieser Sachlage mit weiteren Belästigungen durch die Verfügungsbeklagte rechnen muss und ihm deshalb ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO. Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht (arg. § 708 Nr. 6 ZPO), weil ein die Einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil nach § 925 ZPO mit einer Verkündung auch hinsichtlich der Kostenentscheidung sofort vollstreckbar ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 925 Rn. 9).

Schubert
Vorsitzender Richter am Landgericht

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© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2012