Stallbetreiber haftet für eingeklemmtes Pferd und verletzte Ehefrau
Die Ansprüche wurden gegen die Stallbetreiberin geltend gemacht, da das eingestellte Pferd verletzt worden war und die Klägerin A sich bei der Rettung des verletzten Tieres eigene Körperschäden zugezogen hat.
Am 22.06.2008 schlossen der Kläger B und die Stallbetreiberin einen Pferdeeinstellungsvertrag, welcher die kostenpflichtige Unterbringung des Pferdes in einer Box samt Paddock beinhaltete. Am 25.03.2009 fand die A das Pferd hilflos in Rückenlage, da es sich mit dem rechten Fesselgelenk des Vorderbeins zwischen zwei Panels des Paddocks verfangen hatte und sich selbst nicht mehr befreien konnte. Die beiden Panels wurde voneinander gelöst und das Pferd befreit, wobei eines der Panels gegen die A schlug.
Der B hat als Eigentümer des Pferdes gegen die Stallbetreiberin aufgrund der Verletzung seines Pferdes Anspruch auf Ersatz seines materiellen Schadens. Die A hat wegen ihrer eigenen Verletzungen bei der Rettung des Pferdes Anspruch auf ein Schmerzensgeld sowie auf Ersatz der angefallenen Praxisgebühr. Dieses Ergebnis begründete das Landgericht wie folgt:
Die Verletzung des Pferdes ist auf eine schuldhafte Pflichtverletzung der aus dem Pferdeeinstellungsvertrag übernommenen Pflichten durch die Beklagte zurückzuführen. Das Gericht schloss sich der - wohl überwiegend - vertretenen Auffassung an, nach der bei einem Pferdeeinstellungsvertrag von einem sogenannten entgeltlichen Verwahrungsvertrag auszugehen ist, bei dem die Aufbewahrung des Pferdes als Hauptpflicht eines Verwahrungsvertrages zum einen in der Gewährung des erforderlichen Raums liegt und zum anderen in der Übernahme der Obhut für die Sache, d. h. in der Verpflichtung, für die Sicherheit und Erhaltung des eingestellten Pferdes Sorge zu tragen. Bei derartigen erfolgsbezogenen Pflichten ist die Pflichtverletzung bereits mit dem Nachweis des Schadenseintritts - hier also der Verletzung des Pferdes - bewiesen.
Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten. Die Beklagte hat entgegen § 9 des Pferdeeinstellungsvertrages auch einfache Fahrlässigkeit zu vertreten. Denn bei der vorformulierten Vertragsbestimmung über die Begrenzung jeder Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 7 a BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist. Nach dieser Bestimmung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Diesen Beschränkungen trägt ein uneingeschränkter Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit nicht Rechnung. Aufgrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion ist daher die gesamte Klausel zur Haftungsbeschränkung unwirksam. Eine entsprechende Haftungsbeschränkung folgt auch nicht aus der vereinbarten sog. salvatorischen Klausel. Diese ist aufgrund des Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 BGB ihrerseits nichtig. Gemäß § 306 Abs. 2 BGB haftet die Beklagte damit für Vorsatz und (einfache sowie grobe) Fahrlässigkeit.
Die Beklagte vermochte nicht nachzuweisen, dass das verletzte Pferd in einem ordnungsgemäß errichten Paddock untergebracht gewesen sei und sie daher kein Verschulden an der Verletzung des Pferdes treffe.
Der Sachverständige kam in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die zur Abtrennung und Errichtung des Paddocks verwendeten Panels zwar grundsätzlich geeignet und pferdegerecht seien. Aus sachverständiger Sicht sei es aber zwingend erforderlich, zwei aneinander angrenzende Panels oben durch eine geeignete Konstruktion fest zu verbinden, so dass keine unfallträchtige Lücke entstehen könne. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass zwischen zwei angrenzenden Panels im oberen Bereich ein Zwischenraum von 4 bis 5 cm entstehe, der eine gefahrträchtige Schwachstelle darstelle. Es bestehe die ganz erhebliche Gefahr, dass hochsteigende Pferde - wie geschehen - mit einem Vorderbein in den Zwischenraum von zwei Panels geraten und hängenbleiben. Dabei könnten sich die Pferde erhebliche Verletzungen zuziehen. Diese Verletzungsgefahr erhöhe sich weiter, wenn die Panels nicht korrekt so installiert worden seien, dass ein Verschieben durch Pferde ausgeschlossen werden könne. Aus sachverständiger Sicht sei es daher zwingend erforderlich, zwei angrenzende Panels oben durch eine geeignete Konstruktion fest zu verbinden und den Zwischenraum zusätzlich dergestalt abzudecken, dass ein hoch steigendes Pferd nicht mit seinen Vorderglied maßen in den Zwischenraum gelangen könne.
Diesen Anforderungen hat das von der Beklagten errichtete Paddock nicht genügt. Unter den Parteien ist unstreitig, dass die erforderlichen oberen Abdeckungen der Zwischenräume zwischen den angrenzenden Panels nicht angebracht waren.
Darüber hinaus ist das Gericht nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Panels nicht dergestalt miteinander verbunden waren, dass ein Verschieben durch die Pferde ausgeschlossen werden konnte. Der Zeuge, welcher mit der Beklagten das Paddocks errichtet hatte, gab bei seiner Vernehmung an, dass die Panels auch nach Fertigstellung des Paddocks beweglich gewesen seien. Die Zeuginnen W und S bestätigten diese Beweglichkeit.
Der dem B wegen Verletzung seines Pferdes zustehende Schadensersatzanspruch ist nicht deshalb zu mindern, weil das Pferd aufgrund seines eigenen Hochsteigens an der Entstehung des Schadens selbst mitgewirkt hat. Eine Anrechnung der Tiergefahr des verletzten Tieres, für welche grundsätzlich der Tierhalter einzustehen hätte, kommt unter dem Gesichtspunkt der Mitverantwortung des geschädigten Tierhalters regelmäßig nur dann in Betracht, wenn es um das Zusammentreffen wechselseitiger Tiergefahren geht. Gegenüber dem aus Verschulden haftenden Schädiger muss sich demgegenüber der geschädigte Tierhalter aber die beim Schadenseintritt mitwirkende (bloße) Tiergefahr nicht auf seinen Schadensersatzanspruch anspruchsmindernd anrechnen lassen. So liegt es auch hier, denn die Beklagte haftet dem B aus schuldhafter Pflichtverletzung.
Die A hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz ihres materiellen Schadens sowie einen Anspruch auf Ersatz ihres immateriellen Schadens (Schmerzensgeld).
Sie ist zwar nicht selbst Vertragspartnerin des Pferdeeinstellungsvertrages geworden. Dieser wurde nur zwischen dem B und der Beklagten geschlossen. Dieser Vertrag entfaltet aber auch Schutzwirkung zugunsten der A. Eine derartige Einbeziehung Dritter in die vertraglichen Schutzpflichten wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglich geschuldeten Leistung in Berührung kommt, auf Seiten des Gläubigers ein Einbeziehungsinteresse besteht, beides für den Schuldner erkennbar ist und der Dritte mangels eigenen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruchs schutzbedürftig ist. Dies ist hier der Fall. Als Ehefrau des B und regelmäßige Mitnutzerin des eingestellten Pferdes bestand bei ihr eine erkennbare Leistungs- und Gläubigernähe. Gleiches gilt auch für Kinder und Reitbeteiligungen. Diese auch zugunsten der A wirkenden Schutzpflichten hat die Beklagte verletzt.
Der Schadensersatzanspruch war auch nicht wegen eines vermeintlichen Mitverschuldens der A zu mindern. Ein solches mitwirkendes Verschulden kann nicht schon darin gesehen werden, dass sich die A bei der Rettung des einklemmten Pferdes freiwillig in dessen Nähe begab und diesem zur Beruhigung gut zusprach. Die erlittenen Schäden der A beruhen damit zwar auf einem eigenen Willensentschluss. Die Beklagte hat indessen nach den Grundsätzen der psychischen Kausalität unter den hier gegebenen Umständen auch für diese Schäden allein einzustehen, da die Handlung der A durch das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten herausgefordert war und sich auch nicht als ungewöhnliche Reaktion auf dieses Ereignis darstellte, welche dem Schädiger nicht mehr zugerechnet werden könne.
Unabhängig hiervon hat die Beklagte für den Eigenschaden der A aber auch deshalb allein einzustehen, weil sie durch die vorschriftswidrige Errichtung des Paddocks eine gesteigerte Gefahrenlage zurechenbar geschaffen hatte, bei welcher Fehlleistungen des Geschädigten oder Dritter erfahrungsgemäß vorkommen.
Fahrtkosten für Besuche des Pferdes in der Tierklinik sind demgegenüber nicht erstattungsfähig, da sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, d.h. zur Genesung des Pferdes nicht erforderlich sind. Auch ein Nutzungsausfallschaden wird in derartigen Fällen nicht gewährt. Entgangene Gebrauchsvorteile sind nach der Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nur dann erstattungsfähig, wenn es sich um Lebensgüter handelt, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist. Ein verletztes Pferd stellt kein solches Lebensgut dar, wenn es allein zur Freizeitgestaltung gehalten wird.